Industrierohstoff: Hanffaser

Jeder Nutzung von Hanffasern geht die Entholzung voraus. Dabei wird der Bast vom Holzkörper getrennen, gleich nach welcher Methode.

Bast nennt man die von Holzkörper getrennte äußere Schicht, also Epidermis mit Cuticula. In die Epidermis sind zwei Reihen von Bastfasern eingebettet.

Hanffasern sind Hohlfasern, bestehend aus hochfester Cellulose.
Viele Elementarfasern bilden über natürliche Klebsubstanzen wie Lignine und Pektine (Gum) Faserbündel. Dieser Zellwandverbund der Elementarfasern wird starke Faserbindung (1) genannt.

Die Zelladhäsion zwischen Faserbündeln und anderen Rindenzellen verursacht die schwache Faserbindung (2). Über die schwache Faserbindung vereinte Faserbündel bilden die Faserkollektive. Im Laufe der Vegetation bildet sich zwischen den Faserkollektiven eine Mittellamelle aus, später mitunter eine zweite, die Faserkollektive in Reihen anordnend.

Die Summe der Faserkollektive bilden den Bast. Der Bast ist über das Kambium (Zuwachsschicht) mit dem Holzkörper vereint. Im Kambium werden sowohl Zellen der Rinde einschließlich Bast wie auch des Marks gebildet.

Weitere mechanische Bearbeitung trennt in den Faserkollektiven zunächst die schwache Faserbindung (2) und bei einer Steigerung der Aggression auch die starke Faserbindung (1).

Weiteres mechanisches Öffnen zerfasert die Faserbündel zu Formationen von Einzelfasern, wobei Fibrillen als Fragmente von Elementarfasern die fraktale Sturktur verursachen.

Die notwendige Aggression kann verringert werden, wenn die Röste stärker ist oder eine chemische Behandlung erfolgte.

Röste

Die Röste ist ein komplexer mikrobiologischer Prozess, bei dem Lignin und Pektine abgebaut werden. Damit lassen sich Holzanteile des Stängels besser von den Fasern trennen. Außerdem lassen sich die Bastfaserbündel besser zerfasern. Nebenbei wird das Fasermaterial weicher, flexibler und fibrilliert stärker aus. Bei der Röste ist ein hohes Maß an Erfahrung und Kompetenz vonnöten, denn wer die Röste vorzeitig abbricht, erhält sehr sprödes Fasermaterial. Grünhanf gelingt es nur schwer, von Schäben zu befreien, dabei bleibt er sehr grob und behält sein hohes Rückstellmoment, seine Färbung variiert zwischen hell bis grau. Anwendungen im Bau bevorzugen diesen Grünhanf, der aber i.d.R. nicht grün ist. Textile Anwendungen bedürfen immer eines gut gerösteten Hanfs, er ist dunkelgrau bis schwarz.

Fraktale Geometrie der Hanffasern

Hanffasern aus aggressiver Aufbereitung zerfasern von einem groben Bast in viele Einzelfasern und Fibrillen.

Fraktale Hanffasern bilden durch den groben Bastanteil offenporige Gelege, Matten oder Filze. Die aufgefaserten Einzelfasern und Fibrillen des Bastes überziehen das offenporige Gelege durch ein reiches Netz an feinen Knoten und Maschen, welche die Verbindungen der Fasern stabil gestalten. Hanffasern sollten nicht geschnitten, sondern gerissen werden! Genau dort, wo eine Sollbruchstelle dieses suggeriert, werden Hanffasern auf eine stochastisch verteilte Länge gerissen.

Schäbenfreiheit

Zu den wichtigsten Qualitätsmerkmalen der Hanffaseraufbereitung gehört neben der guten Röste, der Faserlängenverteilung, der Staubfreiheit u.a. auch die Schäbenfreiheit. Schäben sind Teile des Stängelmarkes der Pflanze. Jedoch ist die Schäbenfreiheit relativ, denn es gibt keine Hanffasern die absolut frei von Schäben sind. Farbe: Schäben sind hell. Da gut gerösteter Hanf relativ dunkel ist, fallen die Schäben ob ihrer hellen Färbung schnell ins Auge. Hingegen hat heller Grünhanf meist viel mehr Schäben, ohne dass dieses visuell gleich bemerkt werden. Hier lässt sich das Auge schnell täuschen.

Varietäten der Hanffasern

Leien lassen sich in der Charakterisierung von Hanffasern gern täuschen, zudem zwischen groben Flachs- und feinen Hanffasern selbst Fachleute sich gelegentlich irretieren lassen. Der Schäbengehalt tritt bei dunklem Hanf viel stärker in die Optik als bei hellem, bei groben viel stärker als bei feinem. Die Meinung, dass die Farbe des Strohs als Kriterium des Röstgrades herangezogen werden kann, mag bei vergleichender Wasserröste machbar sein, ist aber bei einer Feld- oder Tauröste ein Irrtum. Hanf riecht immer nach Hanf. Feuchter Hanf, sofern er noch nicht gewaschen wurde riecht immer nach Erde. Dieser erdige Geruch hat nichts mit Verdorbenheit zu tun, sondern ist hanftypisch.

Hanffaser ist nicht gleich Hanffaser

Hanffasern haben sehr unterschiedliche Qualitäten je nach Anwendung. Darüber hinaus bestimmen die einzelnen Weiterverarbeiter spezielle Qualitätswünsche.
Papierfasern oder Zellstofffasern haben fast gar keine Qualitätsansprüche. Sie müssen einfach aus Hanf sein. Meist werden Zellstofffasern mit Hammermühlen gewonnen.
Vliesfasern brauchen keinerlei Rückstellmoment, geringe Reißfestigkeit. Sie müssen lediglich schäbenfrei sein und eine Stapellänge von 60 oder 80 mm.
Baustoff-Fasern für Stopfhanf ST und Schütthanf FS brauchen ein hohes Rückstellmoment und eine Mischung von Grobheit und Feinheit.
Textilfasern für Bekleidungstextilien brauchen eine gute Röste, hohe Reißfestigkeit, Vermeidung von Grobheit und absolute Schäbenfreiheit. Je nach Weiterverarbeiter einen Stapel oder sehr lange Fasern.
Hochleistungsverbund-Fasern brauchen hohe Reißfestigkeit, großes E-Modul, oftmals eine Grobheit und absolute Schäbenfreiheit.

Stapellänge

Hanf-Stapelfasern werden auf Länge gerissen, um das Zerfasern und Auffibrillieren an den Rissstellen zu unterstützen. Die Faserlängenverteilung formt eine Gaußsche Glocke um die gewünschte Stapellänge, wobei Überlängen und sehr kurze Fasern vermieden werden.

EU - Röstklassen

Jeder Nutzung von Hanffasern geht die Entholzung voraus. Dabei wird der Bast vom Holzkörper getrennen, gleich nach welcher Methode.

Bast nennt man die von Holzkörper getrennte äußere Schicht, also Epidermis mit Cuticula. In die Epidermis sind zwei Reihen von Bastfasern eingebettet. Die Trennung erfolgt im Cambium (Zwischengewebe).

Die Röste von Hanf gilt als ausschlaggebendes Kriterium für die Entholzbarkeit der Faserpflanze. Um im Nachhinein die Röstklasse zu ermitteln, gilt die farbliche Identifizierung als einzig praktikable Methode. Dafür wurden nachfolgende 10 Norm-Bilder bei der EU hinterlegt.

Bei der EU hinterlegten wir 2001 eine Farbklassen-Normierung für die Begutachtung der Röste von gereinigtem Hanfwerg. Diese Farbklassen-Normierung gilt nun als EU-Hinterlegung allgemein.

Diese Einteilung gilt nur für gereinigtes Hanfwerg, nicht für Hanfstroh oder ungereinigtes Schwungwerg. Diese Einteilung ist nur bedingt übertragbar auf Hechelwerg, kardierte oder kotonisierte Kurzfaser.


Hanfstängel geschnitten

Querschnitt durch einen Hanfstängel

Querschnitt eines Faserkollektivs aus Faserbündeln

Hanffasern mit starker Faserbindung im Ausschnitt 200 µm x 200 µm

Fraktale Geometrie der Hanffaser

Fraktale Geometrie der Hanffaser

Fraktale Geometrie der Hanffaser

 Röstklasse:
 1
Röstklasse: 
 Röstklasse:
 3
Röstklasse: 
 Röstklasse:
 5
Röstklasse: 
 Röstklasse:
 7
Röstklasse: 
 Röstklasse:
 9
Röstklasse: 
10 

im Vergleich

Faser

Rösthanf
Röstflachs
Ramie
Kenaf
Sisal
Jute
Baumwolle
Kokos

Reißfestigkeit(N/mm²)

1110
930
585
930
855
540
450
255

E–Modul(kN/mm²)

90
93
33
53
38
45
11
5

Zersetzungs-Temp.

335°C
280°C
293°C
-
-
-
-
270°C

Quelle: Einheimische Faserpflanzen, in: Praxis der Naturwissenschaften Chemie, Köln 1997

  Hanffaser
(ungeröstet)
Flachsfaser
(ungeröstet)
Sisalfaser Abacafaser
Cellulose 66 % 56 % 63 % ...
Hemicellulose 16 % 15 % 12 % gesamt: 64 %
Pektine/Lignine 4 % 6 % 11 % ...
Fett und Wachs 1 % 1 % 1 % ...
Eiweis, Asche, Mineralstoffe 2 % 10 % 1 % gesamt: 23 %
Wassergehalt 12 % 12 % 12 % 12%

Quelle: Deutscher Naturfaserverband, Waldenburg 2005