Pest und Corona

Rainer Nowotny
30.04.2021

Wenn das Maß überschritten wird, bricht der Zusammenhalt, dann erobert eine gierige Macht die Herrschaft.

Das Mittelalter der Troubadoure und des Minnesangs, glaubt man der Literatur, den baulichen Zeugnissen, den Entwicklungen der zünftigen Handwerker, war heiter und ausgelassen. Das höfische Leben feierte Feste, das städtische Zunfthandwerk blühte, die Hanse stand für den freien Fernhandel von London bis Nowgorod. Über Venedig und Byzanz hielt die Seidenstraße den Austausch mit China und Indien, Italien arrangierte sich mit den arabischen Herrschern in Sizilien, Kastilien und Katalonien mit den maurischen Herrschern in Andalusien. Die Kreuzritter und Pilger zogen nach Jerusalem. Wachstum wohnte Handel und Handwerk inne.

Ab 1300 wuchsen die Städte rasant, verdoppelten ihre Einwohnerzahl, wurden fremder, enger und dreckiger. Schon um 1340 sollen in norditalienischen Städten pandemische Darminfektionen eine hohe Sterblichkeit verursacht haben.

Im Jahre 1346 sollen Tataren, als sie die genuesische Krim-Kolonie Kaffa (heute Feodossija) belagerten, Pestleichen über die Stadtmauer katapultiert haben. Die Überlebenden flohen nach Genua und brachten die Pest mit. 1348 und 1349 suchte die Pest alle großen Städte Süd- und Westeuropas heim.
Angaben über Opferzahlen sind hoch und widersprüchlich; auf jeden Fall gingen Panik und Todesfurcht um.

Nach 1353 gab es nur noch vereinzelte Pestausbrüche, aber keine Pandemie mehr. Jedoch, das frohe Mittelalter war vergangen, es wurde dunkel und unheiter, 80 Jahre lang. Es begann eine Zeit ohne Musik (außerhalb der Kirche), ohne Literatur (ausgenommen religiöse). Tod und Apokalypse bestimmten den gesellschaftlichen Geist.

80 Jahre lang wurden Seuche und Sünde Gegenstand von Öffentlichkeitsarbeit, und die Medien im 14. Jahrhundert hielten sich ans gesprochene Wort von Predigern. Die fahrenden Spielleute hatten ja quasi Auftrittsverbot. Viele jüdische Familien, denen die Schuld an der Pest zugeschrieben wurden, flohen nach Polen.

Der Kampf gegen die Pandemie wurde zum Spektakel kirchlicher Buße. Die Vernunft verließ die Menschen. Masken und Geißeln war es bestimmt, die Pest zu bekämpfen.

Doch die Pest wurde schließlich nicht durch Maske und Geißel besiegt, sondern durch die Säuberung der Rinnsteine und die Reinigung der Städte.

Mit der Corona-Pandemie ist vieles anders - wie Marx sagte - "das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce." (1)

Auch heute gelten Masken als Heilsbringer. Die biologische Geißel der bioaktiven Substanzen ins Blut verspricht Hoffnung auf Heil.

Verbarg sich die Pest in der mittelalterlichen Kloake der Rinnsteine, so verbirgt sich die Angst vor ansich harmlosen Infektionen in der systematischen Schwächung des Immunsystems.
Die tatsächliche Ursache ist nicht ein sagenumwobenes Virus, das plötzlich in die Welt mutierte, sondern der fehlende Immunisierungsgrad der Menschheit, verursacht durch ungesunde Ernährung, Zuckerkonsum, viele Pharmazeutika, Plastikadditive in Getränken, Fungizide in den Wohnungen, Formaldehyd und Mikrofasern in der Luft und vieles mehr. Hinzu kommt die Sterilisierung der Kinderspielplätze. Die profitorientierte Therapie- und Präventionswirtschaft unterstützen die Deimmunisierung des Generationenübergriffs.

Was bringt Corona?

Die Zeit nach der Pest verdeutlichte den Fall nach dem Verlassen von Maß und Übersicht.
Im Wachstum verlieren sich Gestalt und Bescheidenheit, das System wird instabil. Nach einem solchen Fall gelangen die Interessen des Stillstandes leicht an die Macht.

Es stehen Jahre dubioser Maßregeln bevor.
Nach der Pest-Pandemie bestanden 80 Jahre lang dubiose Maßregeln.

Wirtschaft

Schwer ist es einzuschätzen, welche Wirkungen und Verschiebungen die Corona-Pandemie Europa und speziell Deutschland bringen wird. Auf jeden Fall offenbaren die ersten wirtschaftlichen Instabilitäten die Anfälligkeit der derzeitigen Waren- und Rohstoff-Verkehre die eigentliche Problematik weltweiter Plünderungen von Rohstoffen. Es ist schon jetzt abzusehen, dass Rohstoffe in den nächsten Jahren begehrter und teurer werden. Ob internationale Warenströme wieder den Stand vor Corona erreichen, oder ob politische Stagnation gewinnt, bleibt abzuwarten.


(1) Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852). MEW Bd. 8, S. 115



Triumph des Todes; Detail, Pieter Bruegel der Ältere: Museo del Prado Madrid

Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/af/Nuremberg_chronicles_-_Flagellants_%28CCXVr%29.jpg/735px-Nuremberg_chronicles_-_Flagellants_%28CCXVr%29.jpg

der Pestarzt Doktor François Chicoyneau in seiner Schutzkleidung; Detail: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Februar 2020 im Flughafen Seoul

Quellennachweis:
1. Triumph des Todes; Detail, Pieter Bruegel der Ältere: Museo del Prado Madrid
2. Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/af/Nuremberg_chronicles_- Flagellants%28CCXVr%29.jpg/735px-Nuremberg_chronicles_-Flagellants%28CCXVr%29.jpg
3. der Pestarzt Doktor François Chicoyneau in seiner Schutzkleidung; Detail: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg