Rainer Nowotny

Wege aus Wachstumszwang und Zerstörung

Hardcover, 213 Seiten, erschienen im Februar 2021

Die Kapitel:

  • Prolog
  • Vom Beginn der bürgerlichen Gesellschaft
  • Utopien im Kapitalismus
  • Produktion und Wert
  • Akkumulation von Kapital
  • Geschichtliche Gliederung
  • Ursprung des Staates
  • Wachstum der Wirtschaft
  • Zerfall
  • Verlassen des Systems

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Prolog

Es muss gelingen, die zunehmenden Probleme unserer Zeit zu bewältigen. Das spätindustrielle Zeitalter stößt an die Grenzen der Rohstoffe, an die Grenzen der Verträglichkeit, an die Grenzen der Wachstumsmärkte, an die Grenzen der Belastbarkeit des menschlichen Lebensraumes. Wie kam es dazu und welche Wege führen hinaus?

Der Liberalismus predigt den Schutz des privaten Eigentums; die Gesellschaft müsse sich immer dem privaten Eigentum unterordnen. Die drängenden Probleme dieser Zeit vermag der Liberalismus nicht zu lösen: soziale und militärische Konflikte der Globalisierung, weltweite Marktkonzentration internationaler Konzerne, Zugriffsrechte auf Bodenschätze und Ackerland durch Spekulationsfonds, Ausweitung des Urheberrechtes, Raubbau und Verschwendung, Beschleunigung der Produktion von Müll, Zerstörung der natürlichen Lebensräume.

Auch eine schöpferische Zerstörung bleibt Zerstörung und wird angesichts abnehmender Verfügbarkeit von Ressourcen ein Existenzproblem der Zivilisation. Ungebremst wachsen die Abfallmengen, Müllberge häufen sich, Landstriche werden vergiftet und immer wächst das Angebot an kurzlebigen Konsumprodukten. Die Bauwirtschaft kennt ein zusätzliches Problem, da die Vergreisung petrochemischer Billigbaustoffe den gesamten Baukörper marode werden lässt. Grundsätzlich falsche Anwendungen billiger Ersatzbaustoffe lassen Gebäude vernässen oder mittelfristig unbrauchbar werden. Dadurch stellen Bauwerke selbst eine Entsorgungsherausforderung dar, lange vor ihrer geplanten Zeit. Textile Fasern aus petrochemischen Kunststoffen sind in der Regel immer Mikrofasern und gelangen über Nutzung und Wäsche in die Wasserkreisläufe. Feinste Polymerfasern aus Textilien und Atemschutzmasken in den Lungen stellen eine gesundheitliche Gefahr dar. Plastikbruchteile verteilen sich auf die Felder, die Flüsse, in die Weltmeere und gelangen, immer weiter zerfallend, in die Nahrungskette. Petrochemische Werkstoffe sind zwar vergänglich, besitzen aber lange Halbwertzeiten. Der Wert des Gebrauchs ist auf wenige Jahre begrenzt, die Vergänglichkeit zählt Jahrhunderte.

Im Zeitalter der frühen Industrialisierung wuchsen die Märkte, immer stieg die Nachfrage, scheinbar grenzenlos verfügbar waren Rohstoffe. Da trat bereits der Widerspruch zwischen dem Wachstumsverlangen von Mehrwert- und Profitrate einerseits sowie die Begrenztheit der Konsumtionsrate andererseits zutage, welcher in geschlossenen kapitalistischen Systemen zu Instabilitäten führen muss, weil bei zwanghafter Konsumgutherstellung die Forderungen wachsender Mehrwert- und Profitrate die Kaufkraft reduziert und folglich den Absatz der Konsumgüter fallen lässt. So erkannte es bereits Rosa Luxemburg. Sie schlussfolgerte, dass ein kapitalistisches System nur unter Hinzuziehung fremder Wirtschaftsräume oder unter unumkehrbarer Ausbeutung natürlicher Vorkommen existieren kann. Die Ausnutzung fremder Wirtschaftsräume schließt deren relative Verelendung ein. Sie bedeutet stets Raubbau und Verödung der Gebiete, ganz gleich ob landwirtschaftliche Degradierung der Böden, Rodung der Wälder, rücksichtsloser Abbau von Bodenschätzen oder in anderer Form. Diesen luxemburgischen Zusammenbruch fürchtend, versucht der Kapitalismus durch Kriege oder Pandemien auszuweichen, wenn möglich ihn abzuwenden durch den Export von Last in Billiglohnländer oder in rohstoffreiche Krisengebiete. Bis zur Zeit der großen Seefahrt, für die das Jahr 1492 und die Ankunft Kolumbus in der Karibik als Sinnbild steht, wurden Textilien weltweit und immer im bäuerlichen Umfeld hergestellt. Aus der Landwirtschaft kamen die Rohstoffe Wolle, Flachs Hanf, China hatte dazu noch Seide, Indien Baumwolle. Überall beherrschten die Knechte das uralte Handwerk der Fasergewinnung und die Mägde das Handwerk des Spinnens. Das Weben und Schneidern qualifizierte sich in den Städten des Frühkapitalismus. Dort wo Schiffe gebaut wurden, war nicht nur Kleidung das Ziel der Textilherstellung, sondern auch Segel und Takelage aus Hanf. Mit der großen Seefahrt ab 1492 wurden Unmengen an Hanf benötigt, zuerst von Portugiesen, gefolgt von Spaniern, Niederländern und Briten. Die Manufakturen übernahmen die Produktion.

Aus den Kolonien kamen neben Gewürzen vor allem neue Rohstoffe, darunter aus Indien die Baumwolle. Zuerst wurden Baumwolltuche, später Rohbaumwolle in großen Mengen nach Britannien gebracht. Ehemalige Bauern und Landarbeiter sponnen nun Baumwolle, Weber kamen hinzu. Dieses Überangebot an textiler Faser ließ die hellen Köpfe der durch Newton physikalisch geschulten Briten zu den textilen Erfindungen leiten. Das Weben und Spinnen bekam eine ungeahnte Geschwindigkeit. Der Weg von der Manufaktur in die Fabrik war geebnet. Das Industriezeitalter begann. Mit der Industrialisierung entstanden Maschinenstürmer und die Utopie des Kommunismus. Die sozialen Konflikte in den Textilfabriken wurden unerträglich, was den Textilfabrikanten Robert Owen bekehrte, eine genossenschaftliche Idee zu ersinnen und eine frühe Industriegenossenschaft zu gründen.

Der Kapitalismus schuf seine Grundlagen bereits in der griechischen Antike. Darum muss dort in Athen und Sparta die Analyse beginnen. Zur Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft gehören seit der großen Zeit von Athen und Sparta die Demokratie, das Geld, die Expansion und die Utopie einer Gesellschaft ohne arm und reich.
Seither gilt: Der kapitalistische Freihandel braucht den staatlichen Schutz. Geldloser Tauschhandel kann zwar Wohlstand bringen, hat aber kein kapitalistisches Moment. Wirklich große Gewinne werden in der Regel ohne produktive Arbeit erzielt, sind beispielsweise Ergebnis von Finanzhandel oder Kapitalspekulation, wobei nicht nur mit Fabriken spekuliert wird, sondern mit allem, was internationale Wirtschaftskomplexe feilbieten.

Das System fordert Wachstum, Wachstumszwang verlangt Zerstörung.
Gibt es die Vision einer nichtkapitalistischen Industrie?
Wie kann eine solche Vision Gestalt annehmen?
Inakzeptabel ist die Erscheinung, dass Einkommen aus Vermögen schneller steigt als Einkommen aus Arbeit.
Radikal umgesetzt werden muss: Niemals soll Müll das Ende eines Produktes sein!
Dem Irrglaube, es gäbe weniger Arbeit durch Automatisierung und Digitalisierung, muss der Verstand entgegen gehalten werden. Der Verstand muss die Führung übernehmen.

Nichts scheinbar Unverrückbares darf heilig bleiben; kein Privateigentum, kein Erbschaftsrecht, kein Urheberrecht, nichts, das nicht abgeschafft werden sollte, sofern es der Weg aus der Zerstörung verlangen muss.