Beschreibung physikalischer Phänomene fraktaler Hanffasern

Rainer Nowotny
Rainer Nowotny


1. Grenzen des Tensorkalküls für fraktale geometrische Gebilde

Am Beispiel der Behandlung der Elastizität fester Körper mögen die weiteren Ausführungen den Bezug nehmen.

Gemäß den Ansätzen von Vlasow, Deuker, Treffs u.a. (vgl. |1| & |3|) verursacht eine angreifende Spannung auf der Oberfläche eines Volumenelementes eines starren Körpers eine Verschiebung der Körperpunkte.

Die Ursache (Spannung auf der Oberfläche) und die Folge (Verzerrung des Körpers) bilden ein Wirkungsgleichgewicht.

Für ein Volumenelement dV eines festen (starren) Körpers wird die Verzerrung, wobei je nach Rechenansatz sich der Körper gegenüber der Raummetrik oder der Raum gegenüber dem ursprünglichen Körper verzerrt, zu den verursachenden Kraftgrößen an den Flächenelementen in ein Gleichgewicht gestellt.

Beschreiben vi die Koordinaten des Verschiebungsvektors, dann hat der Verzerrungstensor die Komponenten

dij = ½( ∂vi / ∂xj + ∂vj / ∂xi ).

Vorausgesetz bleibt dabei, dass dimF = 3 und vorausgestzt bleibt auch das Nichtverschwinden der Volumenelemente, die einer Gauß-Einsteinkrümmung unterliegen. Der Fall
dimF < 3 und insbesondere
dimF ∉ N widerspräche den Voraussetzungen des Ansatzes.

Generell gilt das Interesse dem Verhältnis des Spannungstensors der Komponenten tkl gegenüber der Verzerrung:

tkl f ( dij ) bzw.

tkl f ( dij

Im reversiblen Fall musste postuliert werden, dass jede Verschiebungsarbeit der Körperpunkte notwendig eine Verzerrung induziert, somit den Aufbau einer inneren Spannung.

Bekannterweise wird die virtuelle Verschiebungsarbeit mit dem elastischen Potential gleichgesetzt:

δ U ≡ δ Avirtuell = ∫V tij δdij dV

Die Enthalpie verbleibt im elastischen Potential und einem Energieverzehr, der dann in Form von Wärme abfließt oder in Zerstörungsarbeit ergeht:

H = U + Ez .

Bemerkung:
Hieraus ersichtlich ist es nicht zwingend, dass die Irreversibilität des Prozesses (Abfließen von Wärme ist nicht reversibel) verlangen muss, dass nach Wegnahme der Spannung die Deformation nicht vollständig zurückgeht. Plastizität / Unelastizität ist erst dann erfolgt, sofern aus dem elastischen Potential innerhalb des Prozesses Energie auf Ez übertragen wird.

Für das Spannungs/Dehnungsverhältnis lässt sich das Hooksche Gesetz formulieren:

tkl = Ekilj dij.

Entsprechend ist im hookschen Bereich (der Voraussetzung nach allgemein gültig für sehr kleine Deformationen starrer Körper) das elastische Potential nur eine Funktion der Verzerrung:

U = ∫V Ekilj dij dkl dV

Unter genauerer Betrachtung der Voraussetzungen der Nutzung des Tensorkalküls für elastische Deformationen tritt es an den Tag, dass das Tensorkalkül in der o.a. Form an der Beschreibungskomplexität fraktaler Gebilde und deren widerspenstigen Haltungen gegenüber analytischen Lösungswegen scheitern möchte.

Verzerrungseigenschaften lassen sich in fraktalen Gebilden dimF < 3 nicht durch Verzerrungen von Volumenelementen beschreiben. Zudem sind auch Spannungstensoren an Oberflächen definiert, die im Fall fibrillierter Hanffasern verschwinden.



2. Prinzip des Gleichgewichtes in einer virtuellen Zeit

Gegeben sei ein System S im Gleichgewicht. Eine Störung des Systems S (Änderung des Energie/Impuls-Tensors, Spannungsangriff o.ä.) bewirkt im allgemeinen eine Zustandsänderung in ein Ungleichgewicht. Die Erfahrung lehrt, dass eine Ursache (Störung) in einem festen Körper sofort und unmittelbar eine Wirkung oder Gegenaktion im System auslöst: Das System eines starren Körpers strebt nach unmittelbarem Gleichgewicht: t -> 0 (z.B. Spannungsangriff -> Deformation).

Anders verhält es sich in thermodynamischen Systemen vieler Teilchen, bei denen das Gleichgewichtsbestreben im allgemeinen für t -> ∞ angesetzt wird.

Bei der Untersuchung einer fraktalen Faser sei das Gleichgewichtsbestreben als ein dynamisches System formuliert: dS/dt = f(S).

Ansatz:
Ein dynamisches System strebt in einer virtuellen Zeit einem Gleichgewichtszustand entgegen.

Aus diesem Ansatz folgt die Notwendigkeit der Dissipation des Systems und der Existenz wenigstens eines Attraktorgebietes. Angenommen kann werden, dass jeder Punkt des Definitionsbereiches nach einer unendlichen (virtuellen) Zeit in ein Attraktorgebiet fällt.

Beruft man sich auf den virtuellen Charakter der betrachteten Zeit, so liegt es am Tag, die analytische Form d/dt = f() bei ausschließlichem Interesse t -> ∞ über eine Iteration S(n+1) = P(S(n)) zu beschreiben. P darf dabei lediglich von S(n) abhängen.

Eine Programmumgebung wird durch eine Struktur S (Zustandsstruktur) freier Variabler definiert.
br> Verweise auf eine Unterstruktur von S der Struktur u werden mit S.i angegeben; allgemein S.i1...in , Is = { i1,...,in } heißt Indexmenge der Unterstrukturen von S.

Ist S.i eine Unterstruktur der Struktur u und hat u eine Unterstruktur u.k , wird S.i.k = u.k geschrieben. Für die Indexmengen der Unterstrukturen gilt äquivalentes.

Mit eckigen Klammern [] werden die Werte über den Definitionsbereichen der Strukturen angegeben.

Es sei eine Faser F und eine Überdeckung U = { Ui ; i ∈ Iδ, δ > 0 } von F beliebig aber fest. Gemäß o.a. Ansatzes existiert für ein betrachtetes physikalisches Phänomen aus einem Ungleichgewicht heraus eine Iteration Pn+1(S) = P(Pn(S)) , wonach das System S notwendig in ein Attraktorgebiet fällt, oder aber zerstört wird.

Über einer Überdeckung U = { Ui ; i ∈ Iδ, δ > 0 } einer Faser F bei endlichem Index Iδ existiert die endliche Struktur S eines endlichen Ortbereiches [] isomorph zu Iδ. Eine solche Überdeckung ermöglicht die Einteilung von Nachbarschaften von Überdeckungselementen, die im folgenden interessieren sollen.

Die Nachbarschaftsbeziehungen von S[] bilden gemäß |4| Harmonien, so daß aufgrund der vorausgesetzten Stetigkeit von F und der daraus resultierenden Harmoniegruppe die Determination eines Ereignisses auf alle Ortsbereiche von S[] folgt. Das heißt, es existiert ein Unterprogramm − endlich für || Iδ || < ∞ , welches für ein vorgegebenes i0 die Determination für S[] erfüllt.

Zwischen zwei benachbarten Ortsbereichen im Sinne der o.a. Harmonie, d.h. die den beiden Ortsbereichen zugehörigen Teilfasern sind benachbart oder überdecken sich, liegt ein inneres Spannungspotential Tij der Dimension eines Energietensors.

S[i0].T[k,l] = Tkl .

Offensichtlich ist das Wirkungsgleichgewicht der Elastizitätslehre dann erfüllt, wenn an allen Orten [] Spannungspotentiale gleichen Betrages anliegen.

Ein solches Gleichgewicht kann eine Näherungsprozedur mithilfe einer ausgleichenden Verzerrung der lokalen Größen von S[] , also S[].xyz, erzeugt werden:

Die Verzerrung ist dann:

S[i0].d[k,l] = dkl , gemäß dkl = f(Tij)

, oder im hookschen Fall tkl = Ekilj dij .

Folglich entstehen an allen Nachbarorten von i0 Potentialungleichgewichte, welche in diesen Nachbarorten virtuelle Spannungen bzw. Spannungspotentiale induzieren. Diese werden auf analoge Weise durch Verzerrungen ausgeglichen.

ObdA seien die Faserteile der Überdeckungselemente von i0-1 und i0+1 Nachbarorte von i0:

S[i0 -1].T[k,l] = vTkl

S[i0 +1].T[k,l] = vTkl .

Wieder verursachen die Spannungen in jedem Überdeckungselement eine Verzerrung der benachbarten Überdeckungen:

S[i0 -1].d[k,l] += vdkl

S[i0 +1].d[k,l] += vdkl .

Für endliche Iδ ist die Iteration abzählbar.

Offenbar beschreiben diese Formalismen eine Iteration derart, dass Spannungen immer wieder Verzerrungen verursachen, solange zwischen benachbarten Überdeckungen = benachbarten/überlagerten Teilfasern Ungleichheiten der Spannungspotentiale auftreten, verursachen diese wiederum Deformationen und folglich wiederum Spannungen zwischen benachbarten/überlagerten Teilfaser.

Sofern diese Iteration eine Attraktormenge = ∅ hat, also die Spannungs/Dehnungsverhältnisse keine stabilen oder quasistabilen Positionen einnehmen, muss das System als nicht mehr stabil bzw. zerstört anzusehen sein.

Für nichtverschwindende Attraktormengen jedoch liefert eine solche Iteration den Zustand eines stabilen Spannungs/Dehnungs-Verhältnisses.




Rainer Nowotny
aus: Besonderheiten von Hanffasern aus aggressive Wirrfaseraufbereitung
in: 2nd International Wood and Natural Fibre Composites Symposium; Kassel/Germany 1999