Als bekannt wird der
Aufbau des Bastes, aus seinem Wuchs im Pflanzenstängel resultierend, in die
Bastkategorien Elementarfaser, Faserbündel, Faserkollektiv eingeteilt,
vorausgesetzt.
Bekannt ist auch der
Aufbau der Elementarfasern aus Fibrillen.
Weiterhin sind
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Langfaserschwinge und Kurzfaserwirraufbereitung vertraut.
In der Abhandlung
seien die Module Brecher und Schwinge in beiden Technologien auf eine Stufe
gestellt. Weiterhin wird dem Hecheln der Langfaseraufbereitung das Kardieren,
Öffnen oder Aufschließen der Kurzfaseraufbereitung gleichgestellt und als
bekannt voran gesetzt.
Unter einer
Fibrillierung von Bastfasern ist zu verstehen:
1.
Eine Auffaserung des
Faserbündels, bei der einzelne Elementarfasern an wenigstens einer Stelle die
Haftung mit dem Faserbündel, meist durch einen Faserriss verursacht, aufgeben,
ohne jedoch das Faserbündel gänzlich zu verlassen.
2.
Ein Herauslösen von
Fibrillen an aufgerissenen Elementarfasern.
Zwischen diesen
Möglichkeiten wird im weiteren nicht unterschieden (Bild 1).
Eine solche
Fibrillierung wird insbesondere dann erzielt, wenn eine mechanisch starke
Bearbeitung an einer Sollbruchstelle das Reißen oder Aufreißen der
Elementarfaser verursacht. Reißen alle Elementarfasern eines Bündels in
unmittelbarer Nähe auseinander, bewirkt dieses eine Einkürzung. Für ein
Herauslösen von Fibrillen gilt äquivalentes.
Bild 1: Modell des Auffaserns durch
aggressive Bearbeitung
Folgerung:
Soll eine Fibrillierung des Bastes erreicht
werden, sollte ein Einkürzen nur auf
dem Wege des Reißens, nicht aber durch Schneiden erfolgen.
Bemerkung:
Traditionell wurde
Hanf für besonders stark zu beanspruchende Werkstoffe verwandt:
Taue, Seile,
Militärtextilien, Segeltuche etc. Dabei trat zu Tage, dass nach einiger
Beanspruchung die Widerstandsfähigkeit der textilen Verbindung wuchs: Resultat
einer "nachträglichen" Fibrillierung des Langfaserbastes unter großer
Beanspruchung im Einsatz.
Bild 2: Schwinge mit Depressor und Aggressoren
Bild 3: Öffner mit Depressor und Aggressoren
Diese
Bastfibrillierung unter Verzicht der Länge wird in einer Wirrfaseraufbereitung
bereits im Faserrohmaterial sichergestellt, wobei die Wirrfaserschwingmodule
(Bild 2) und die Wirrfaseröffnung (Bild 3) jeweils funktionelle Einheiten von
Schäbenausreinigung, Einkürzen an Sollbruchstellen und Fibrillieren des Bastes
darstellen. Infolgedessen zerfasert der Bast äquivalent zur Entholzung und zur
Einkürzung ehemals langer Fasern, wobei eine Verfeinerung des Bastes einher
geht, welche jedoch für diesen Ansatz vernachlässigt werden soll.
2. Geometrisches Modell einer fibrillierten Bastfaser
Ausgehend vom erreichbaren
Ziel einer idealen Aufbereitung, unter der wir eine hinreichende
Verarbeitungskette verstehen wollen, die das Bastfasermaterial ungleichmäßig,
aber stark derart bearbeitet, dass (gedacht) alle Bastfaserbündel ungleichmäßig
und hinreichend fibrilliert sind, d.h. es existiere keine ausgezeichnete
Bündelstelle und keine unfibrillierte Faserstelle eines Einzelbastes, soll
nunmehr ein geometrisches Modell hierfür entwickelt werden.
Die Einkürzung des
Stapels kann für die Modellierung vernachlässigt werden, wenn folgende
Iteration It beschrieben wird:
(i)
Ein Faserkollektiv Φ von m Faserbündel je n Elementarfasern mit n*m -> ∞
sei gegeben.
(ii) l ist die Länge von Φ, so wird auf l' = rnd(0,l), wobei
rnd(a,b) aus einer gegebenen reellen Zufallsverteilung auf dem offenen
Intervall (a,b) in einem Iterationsschritt gemäß der Verteilung eine zufällige
Variable erwählt, eine Sollbruchstelle einer Elementarfaser
m' = rnd(1,m) aus n' = rnd(1,n) definiert, so dass die
Elementarfaser m'*n' an der Stelle l' auf einem
Faserbereich r ∈ (0,l)
zerfasert.
(iii) Zerfasert eine
Elementarfaser an l' ≈ 0 oder l' ≈ l, so wird der
Faserrest der Restlänge < r/2 entfernt.
Bild 4: Iterativ erzeugte Hanffaser für
r -> 0 und r >> 0.
Offensichtlich muss
für r -> 0 selbst bei Iterationen >> m*n der Bast nicht
notwendig eingekürzt werden, da die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens
oder der unmittelbaren Nachbarschaft mehrerer Sollbruchstellen von
Elementarfasern gegen Null geht, vorausgesetzt r->0, welches jedoch in der
Praxis insbesondere bei Rösthanf nicht unbedingt erreicht wird.
Im Resultat entsteht
ein zerfaserter Bast mit k ≤ 2j Zerfaserungen, wenn j die
Iterationszahl ist:
F = Itj (Φ)
Dieses
Modell geometrisch zu beschreiben, wird gemäß |1| von einer Überdeckung
der Faser F ausgegangen:
Hsδ (F) = inf { ∑∞i=1 | Ui |s ;
{ Ui } ist eine δ - Überdeckung von F}
ist Hausdorffmaß,
wobei eine Überdeckung { Ui ; i ∈ Iδ } ,
Iδ ist
Indexmenge der δ - Überdeckung
von F, dann erfüllt ist, wenn ∀ x ∈ F :
∃ i ∈ Iδ
mit x ∈ Ui .
{ Ui } ist eine δ - Überdeckung, wenn ∀ i ∈ Iδ :
∀ x,y ∈ Ui : || y - x || ≤ δ .
Nach
Hausdorff |1| existiert nun für
Hs(F) = limδ-> 0 Hsδ (F)
ein D ∈ R mit
Hs(F) = { ∞, falls s < D
{ 0, falls s > D
D heißt Hausdorffdimension von F:
dimH F = inf { s : Hs(F) = 0 } = sup { s : Hs(F) = ∞ }
Für
den Fall, dass dimHF ∉ N wird nach
Mandelbrot F als fraktales Gebilde oder
Fraktal bezeichnet (vgl. |3|).
Theorem:
Die oben iterativ erzeugte "fibrillierte Hanffaser" ist ein Fraktal.
Es
genügt zu zeigen, dass dimHF > 1, setzt man die Plausibilität dimHF
< 2 und die Annahme, dass der Faserquerschnitt zu vernachlässigen sei,
vorweg.
Gebilde
wie Cantor-Staub, Sierpinski-Dreiecke o.ä. werden z.B. mit einer quadratischen
Überdeckung der Seitenlänge d einer Anzahl N untersucht, wobei
dimH F =
limd->0(ln N(d) / ln 1/d)
Für Küstenstreifen
existiert das berühmte Beispiel von Richardson, wonach
Hδ(F) = α*δ(1-dimHF)
Bei der Untersuchung
einer fibrillierten Hanffaser, im weiteren kurz Faser genannt, soll ein Umweg
begangen werden. Ziel soll es sein, Aussagen über die Hausdorffdimension zu
erhalten, ohne diese direkt zu ermitteln.
Der hausdorffsche
Ansatz wird verlassen, und betrachtet wird eine stetige Faser, nach der
Iteration It partiell zwei- und dreidimensional zerfasert.
Sei { Ui }
eine δ - Überdeckung von F
mit |Ui| ≤ δ (abgeschlossene
Überdeckungsmengen).
Offenbar ist: ∀ i ∈ Iδ :
∃ Fi mit Fi = F ∩ Ui
Vermutet wird, dass Fi zu F ähnlich ist, und damit Aussagen über Fi
gleichfalls fern liegen.
So beschränkt sich
die Vorgehensweise auf die Schnittpunkte der Faser mit den Rändern der
Überdeckungen, sofern von abgeschlossenen Überdeckungsmengen ausgegangen wird:
∀ i ∈ Iδ :
∃ Ri Rand von Ui wobei gilt:
(i) Ri ⊆ Ui
(ii) ∀ x ∈ Ui / Ri &
∀ y ∈ Ri : || y - x || < δ
(iii) ∀ x ∈ Ri : ∃ y ∈ Ri :
|| y - x || = δ
Ferner ist Si = F ∩ Ri = Fi ∩ Ri
(Menge der Schnittpunkte der Faser mit dem
Rand eines Überdeckungselementes).
Offenbar kann
Si = ∅ oder || Si || ≥ 1 sein.
Wenn jedoch F eine stetige Menge und die Überdeckung
echt ist:
∀ Ui(i ∈ Iδ) :
∃ x ∈ Ui mit x ∈ F,
so gilt: Si ≠ ∅ .
Von Interesse ist es
im Weiteren, welchen Einfluss die partiellen zwei- und dreidimensionalen
Zerfaserungen haben.
Es sei:
di = {
1 , || Si || ≤ 2 ;
{
2 , || Si || > 3 & Si ist Teil einer Ebene
{
3 , || Si || > 3 & Si ist nicht Teil einer Ebene
Demnach
existieren für eine Überdeckung { Ui} drei Mengen
D1 = { i , i ∈ Iδ & di = 1},
D2 = { i , i ∈ Iδ & di = 2},
D3 = { i , i ∈ Iδ & di = 3},
So ist d ∈ N x N x N derart, dass d = (d1 ,d2 ,d3)
Für jede
Überdeckung { Ui } von F existiert ein derartiges d(F), wobei d1
+ d2 + d3 = || Iδ || .
Es sei eine Folge ( δj ) mit δj -> 0
und ( δj ) streng monoton, beliebig aber fest gegeben.
Für jedes j ∈ N existiert eine δj - Überdeckung { Uji } von F.
So beschreibt jedes j ∈ N ein Tripel dj = ( dj1
, dj2 , dj3 ) ∈ N x N x N
der oben beschriebenen Art.
Die Zahlenfolge ( δj ) beschreibt nun
wohldefiniert eine Folge von δj - Überdeckungen { Uji }
von F und gleichsam eine Folge ( dj ).
Offenbar gilt für eine nicht verschwindende, stetige Faser:
lim j->∞ (dj1
+ dj2 + dj3 ) = ∞ .
Wie man leicht sieht, gelten nachfolgende Zusammenhänge:
Lemma 1:
Für die Zerfaserung Itj(Φ) einer stetigen
Faser Φ, || Φ || = 1, mit k -> ∞ gilt:
limj->∞ (dj2 + dj3 ) = ∞ .
Lemma 2:
Für eine stetige Faser F = Itj (Φ) mit limj->∞ (dj2 +
dj3 ) = ∞ gilt:
dimH F > 1.
Folglich gilt das Theorem.
Ist die Hausdorffdimension von F größer 1, so ist die Faser nach Mandelbrot ein
Fraktal.
Im Einzelfall ist also die Voraussetzung der Behauptung für reelle Hanffasern zu
prüfen, wobei es nicht schwer fallen wird, einen Entscheidungsalgorithmus bei
geeigneter optischer Apparatur zu wählen, der Urteile darüber erlaubt,
inwieweit eine Fibrillierung der Hanffaser erfüllt ist.
Folgerung:
Eine Hanffaser, für die die Vorraussetzung der Fibrillierung
gemäß Iteration It erfüllt ist, ist ein Fraktal der Hausdorfdimension
dimH F > 1.
Rainer Nowotny
aus: Besonderheiten von Hanffasern aus aggressive Wirrfaseraufbereitung
in: 2nd International Wood and Natural Fibre Composites Symposium; Kassel/Germany 1999